"Notfalleinsatz:
Einsatzauftrag für den Rettungswagen
Verkehrsunfall auf der A9 zwischen Lauf und Schnaittach Fahrtrichtung Berlin.
Mehrere Verletzte.
Die Feuerwehr ist ebenfalls unterwegs."
VUCA wird erst noch erfunden ...
Als Zivildienstleistender im Rettungsdienst sammelte ich meine ersten VUCA Erfahrungen. Jeden Tag und immer wieder aufs Neue. Wir nannten das nicht VUCA sondern Notfalleinsatz, Schadenereignis oder Gefahrenlage.
Stellen Sie sich vor, mit dem obigen Einsatzauftrag unterwegs zu sein ... .
Bis zum Eintreffen an der Einsatzstelle ist alles möglich. Ungewissheit ist die einzig treffende Beschreibung. Weil von einem Fehlalarm zum Beispiel einem Unfall mit Blechschaden bis zur Massenkarambolage mit vielen Verletzten und eingeklemmten Personen oder gar einer Gefahrgut Beteiligung alles drin ist.
Vielleicht stellt sich nach der ersten Lagebeurteilung heraus, dass ein Verletzter in seinem Fahrzeug eingeklemmt ist. Jetzt ist eine komplexe Rettungsmaßnahme mit übergreifenden Fachbereichen erforderlich. Denn Notfallsanitäter, Rettungsassistenten, Notarzt und Feuerwehr müssen Hand in Hand zusammenarbeiten (Komplexität).
Während des Einsatzes kommt es immer wieder vor, dass sich die Situation plötzlich verändert. Während der Rettungsmaßnahmen könnten sich die lebensnotwendigen Funktionen des Patienten innerhalb weniger Sekunden verschlechtern. Die bis dahin geplanten Rettungsmaßnahmen müssen sofort auf den Prüfstand. Möglicherweise ist eine völlig neue Vorgehensweise erforderlich geworden (Volatilität).
Eine der wichtigsten Aufgaben ist die Erkundung und Einschätzung der Lage. Davon hängen die Entscheidungen zur Einsatzstrategie und der Priorisierung der zu ergreifenden Maßnahmen ab. Informationen, können Mehrdeutig sein. Symptome, über die ein Patient klagt, können unterschiedliche Ursachen haben. Manchmal werden ganz klassische Symptome geschildert, die eindeutig auf bestimmte Krankheitsbilder hindeuten, sich dann aber als asymptomatisch herausstellen (Ambiguität).
Ist der Umgang mit VUCA Herausforderungen trainierbar?
Nach einiger Zeit im Rettungsdienst und bei einer Stützpunkt-Feuerwehr arbeitete ich an einer Zivildienstschule als Lehrkraft. Maine Aufgabe bestand darin, Zivildienstleistende in einem 5-Wochen Lehrgang so weit auszubilden, dass sie im Rettungsdienst mitarbeiten konnten.
Die besondere Herausforderung war, unseren Schülern Zuversicht zu vermitteln und deren Handlungsfähigkeit sicherzustellen damit sie dann motiviert im Rettungsdienst mitarbeiten wollen.
Wir wollten Antworten auf folgende Fragen finden:
- Wie können wir unsere Schüler unterstützen, um mehr Sicherheit in Einsätzen zu entwickeln?
- Können Standing Orders dabei helfen, auch in unklaren Notfallsituationen handlungsfähig zu bleiben?
- Wie müsste eine Einsatz-Dokumentation aussehen, die als Roter-Faden Sicherheit gibt und gleichzeitig nicht zu sehr von der Versorgung ablenkt?
Nachdem ich anfangs noch an der Zivildienstschule wohnte, hatte ich viel Zeit die entwickelten Konzepte mit unseren Schülern zu trainieren und Feedback zu sammeln. In freiwilligen Neigungsgruppen arbeitete ich mit und für unsere Schüler an Lösungen, die den Umgang mit diesen "VUCA Herausforderungen" erleichtern und standardisierten helfen.
Nach meiner Anstellung an der Zivildienstschule hatte ich das Glück und die Ehre, die erste Berufsfachschule für Rettungsassistenten in der DACH Region mit aufzubauen und später zu leiten.
Ich nutzte die Chance, die bereits erarbeiteten Konzepte und gesammelten Erfahrungen weiterzuentwickeln und zu verfeinern.
Kernelemente des entwickelten "VUCA Lösungskonzeptes" sind:
1. Vermittlung von Sicherheit und Handlungsfähigkeit
- klare Rollenverteilung im Team
- Standing Orders (Standardprozesse) - gleiches gleich und ungleiches seiner Eigenart entsprechend behandeln
- klar definierte Aufgaben und Verantwortungsbereiche mit einer festgelegten Eskalationsvorgabe
- Informationspflichten im Team
- standardisierte Dokumentation anhand von Checklisten (z. B. Notfall-, Einsatzprotokoll)
- Standing Orders für die Situationsanalyse (Anamnese), wesentliche lebensbedrohliche Situationen und spezieller Versorgungsschemata
- Standardisierte Einsatznachbesprechungen - Reflexion
- definierte Kommunikationsstrukturen - Informationshol- und -bringschuld
- dynamische Anpassung der Führungsverantwortung nach Eskalation - Regeln der Führungsverantwortung
- unabdingbare Vorgaben und Verantwortungen innerhalb des Teams (z. B. Eigenschutz, Sicherheit, Rettung vor Bergung, ...)
- Berichtspflichten - besonders bei größeren, komplexeren Einsätzen - Integration der Führungsstrukturen mit dem agilen / eigenverantwortlichen Arbeiten vor Ort
- klare Regelungen, wer in der jeweiligen Situation die Führungsverantwortung inne hat (z.B.: Dienstvorschrift Führung)
- Regelmäßige Einsatzübungen mit detaillierten Nachbesprechungen und Dokumentationen
- Regelmäßige Fortbildungen und Leistungsauszeichnungen
3. Technisch und organisatorische Unterstützung
- Rettungsleitstelle, örtliche Einsatzleitung, überörtliche Einsatzleitung
- (mobile) Funkvernetzung (BOS
- Einsatz-, Katastrophenplanungen auf Abruf
- Informationsdatenbanken und Handlungsempfehlungen
- Telemedizin
Unser heutiges Modell der VUCA Überlebensstrategie hat hier seine Wurzeln
Mit meiner heutigen Erfahrung und meinem aktuellen Wissensstand würde ich die Anfänge meines VUCA Lösungskonzeptes und meiner gemachten Erfahrungen folgendermaßen visualisieren:
Fazit
Die sehr frühe Auseinandersetzung mit dem Phänomen VUCA vor allem aus einer ganz anderen Perspektive hat mir geholfen Parallelen zu finden und daraus Erkenntnisse abzuleiten. Das gibt unserem heutigen Modell der VUCA Überlebensstrategie ein sehr breit angelegtes und stabiles Fundament.
Die drei Aspekte unseres Change für New Modern Work in Balance (magisches Dreieck) haben sich bewährt:
- Mensch, Hochleistungsteam, Teamlead 4.0
- Organisation und Struktur - Verbindung von Hierarchie und agiler Teamarbeit
- Technologie zur Unterstützung und nachhaltigen Etablierung des New Modern Work